Kontakt: post(at)rehhoffstrasse.de
Impressum/ Haftung
Datenschutzerklärung

Die Bautätigkeit des Bauvereins

Kleinwohnungsbau um die Jahrhundertwende

Eine Publikation des »Architekten und Ingenieurverein zu Hamburg« von 1914 in »Hamburg und seine Bauten unter Berücksichtigung der Nachbarstädte Altona und Wandsbek« enthält folgende Selbstbeschreibung:
Die gemeinnützige Bautätigkeit zur Beschaffung kleiner Wohnungen nimmt in Hamburg eine hervorragende Stellung ein; nur die bedeutenderen Unternehmen auf diesem Gebiete können hier besprochen werden.
Die im Jahre 1891 gegründete Abraham-Philipp-Schuldt-Stiftung will »an unbescholtene, respektable, wenig bemittelte Familien oder Witwen« Wohnungen zu geringen Preisen vermieten; es wurden in den Jahren 1895/96 in der inneren Stadt, an den Hütten und am Pilatuspool 15 Häuser mit zusammen 194 Wohnungen und im Jahre 1900/01 in der Nähe des Sanierungs- gebiets der südlichen Neustadt an der Neumayer-, Zeughaus- und Seewar- tenstraße 14 Gebäude mit zusammen 182 Wohnungen von einem bis drei Zimmern und Küche in fünf Geschossen errichtet; Mieter, die 25 Jahre eine Wohnung innegehabt haben, wohnen nach der Bestimmung des Stifters von da ab bis an ihr Lebensende frei.
Unter den auf genossenschaftlicher Grundlage arbeitenden Unterneh- mungen ist die Allgemeine Deutsche Schiffszimmerer-Genossenschaft zu Hamburg die älteste; sie hat schon Anfang der 90er Jahre Gebäude mit Wohnungen für ihre Mitglieder in St. Pauli an der Erichstraße und der Jägerstraße erworben und im Jahre 1900 eine Gruppe von zwölf Häusern mit 136 Woh- nungen in der Nähe des Sanierungsgebietes der südlichen Neustadt an der Zeughaus-, Seewarten-, Dove- und Nicolaistraße gebaut; im Jahre 1902/03 errichtete die Genossenschaft im Stadtteile Barmbek an der Dehnhaide eine weitere Gruppe von sieben Häusern mit 128 Wohnungen; zurzeit hat sie ein neues Unternehmen im Sanierungsgebiete der südlichen Neustadt im Bau, das aus elf Häusern mit zusammen 130 Wohnungen an der Martin-Luther- und Winckler-Straße besteht. Auch auf preußischem Gebiet in Wilhelmsburg hat die Genossenschaft ihre gemeinnützige Bautätigkeit entwickelt.
Auf den weitaus größten Erfolg kann der Bau-Verein zu Hamburg (vormals Bau- und Spar-Verein), Aktiengesellschaft verweisen. Im Jahre 1892 wurde er unter Führung des auch um seine weitere Entwicklung hochverdienten, im Jahre 1909 verstorbenen Senators Dr. Heinr. Traun als Genossenschaft gegründet und im Jahre 1903 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Den ersten bescheidenen Anfang bildete ein im Jahre 1894 vollendeter Bau in Eilbeck an der Friedenstraße mit 31 Wohnungen, bald folgte bis 1902 eine Reihe größerer Gruppenbauten in den äußeren Stadtteilen, Sachsenstraße, Marientaler Straße, Stellinger Weg, Reginenstraße, Wohldorfer Straße, mit je 66 bis 218 Wohnungen; anläßlich der Sanierung der südlichen Neustadt wurden in den Jahren 1902 bis 1904 in jenem Gebiete zwei Bauten an der Rambachstraße und am Eichholz mit 137 und 119 Wohnungen ausgeführte. Es folgte 1904/05 auf einem besonders frei und günstig gelegenen Platze die größte der ausgeführten Anlagen in Eilbecktal mit 289 Wohnungen, 1907/08 ein kleinerer Bau an der Bismarckstraße und 1910 eine sehr hübsche Häusergruppe in Barmbek an der Pestalozzistraße mit 232 Wohnungen. Alle diese Bauten bestehen aus Häusern mit drei bis vier Obergeschossen. In den Jahren 1908 bis 1910 hat der Bau-Verein auch ein größeres Gelände in ländli- cher Gegend von Fuhlsbüttel mit kleinen Einzelwohnhäusern bebaut; nach einem vorausgegangenen, sehr reich beschickten Wettbewerbe, aus dem als Sieger der Architekt H. Stumpf in Darmstadt hervorging, sind 22 kleine Häu- ser mit 56 Wohnungen gebaut worden, die eine sehr ansprechende Siedlung darstellen; der Geschäftsbericht des Bau-Vereins sagt aber: Leider hat sich herausgestellt, daß trotz aller Sparsamkeit diese Gartenkolonie unrentabel ist und Zuschüsse verlangt. Ganz neuerdings hat der Bau-Verein einen grö- ßeren Platz im Sanierungsgebiete der südlichen Neustadt – Herrengraben, Rehhoff- und Pasmannstraße – mit einer Gruppe von 16 Häusern bebaut; 15 von diesen enthalten 171 Wohnungen, eines dient zum Ledigenheim, in dem unverheiratete Arbeiter Schlafstelle und Verpflegung, Aufenthalts- und Unterhaltungsräume finden. Abgesehen von diesem Ledigenheim verfügt der Bau-Verein zurzeit über 1736 Wohnungen. Ohne den zuletzt erwähnten Bau betragen die aufgewendeten Platzkosten im ganzen 1.497.220 Mark, die Bau- kosten 6.542.337 Mark, zusammen 8.039.557 Mark.
Außer diesen Bauten für eigene Rechnung hat der Bau-Verein in den Jah- ren 1910/11 für die Hamburg-Amerika Linie jenseits der Hamburger Ge- bietsgrenze, auf Wilhelmsburg, zwei Baublöcke für Wohnungen der in den Kuhwärder Häfen beschäftigten Arbeiter der Gesellschaft bebaut; der erste Block umfaßte 15 Häuser mit 127 Wohnungen, der zweite 17 Häuser mit 142 Wohnungen. Auch bei diesen Bauten haben sich, wie bei den neueren Bauten des Bau-Vereins, die Architekten Ernst Vicenz und Wilhelm Behrens in die Gestaltung der Grundrisse und die künstlerische Bearbeitung der Schauseiten geteilt. Außer den Wohnungen enthält die Anlage eine Badeanstalt mit etwa 20 Wannen- und Brausebädern, eine Warteschule, eine Bibliothek und ein Lesezimmer.
Im Sanierungsgebiete der südlichen Neustadt, wo mit Rücksicht auf die Nähe der Häfen und Schiffswerften ein starkes Bedürfnis nach kleinen Wohnungen für Arbeiter besteht, läßt sich zurzeit der Hafenbetriebsverein, Baugesellschaft m. b. H., eine Vereinigung von Arbeitgebern, eine Häusergruppe von 171 Wohnungen errichten, deren Ausführung gleichfalls der Bau-Verein übernommen hat.

Stellenbergstraße, Bauverein zu Hamburg Aktiengesellschaft, Architekten: Ernst Vicenz, Wilhelm Behrens

Fährstraße, Wilhelmsburg, Hamburg-Amerika Linie, Architekten: Ernst Vicenz, Wilhelm Behrens

Wohnanlage Eilbecktal, 1905

Grundriss, Obergeschoss Wohnanlage Eilbecktal, Bauverein zu Hamburg, Architekt: Ernst Vicenz