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Das 112-Seelen-Haus

Ein Ledigenheim für die Rehhoffstraße

Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße am Rande der südlichen Neustadt galt 1912, zur Zeit seiner Erbauung, als »hochmodern«. Es war der politische Versuch, auf soziale und städtebauliche Notwendigkeiten des boomenden Welthafens Hamburg und der wachsenden Arbeiterschaft am Hafenrand zukunftsorientiert zu reagieren. Der Bauherr, der Bauverein zu Hamburg, hatte seit längerem nach Möglichkeiten gesucht, alleinstehende, gering bezahlte Arbeitskräfte arbeitsplatznah unterzubringen. Dieser Ansatz entsprach den damaligen Vergabekriterien der Stadt für attraktive Grundstücke im Sanierungsgebiet Südliche Neustadt, und der Bauverein erhielt den Zuschlag.

Die Architekten Heinrich Wilhelm Behrens und Ernst Vicenz errichteten in dessenAuftragaufdemGrundstückzwischenHerrengraben,Rehhoffstraße und Pasmannstraße einen Gebäudekomplex mit 170 Wohnungen und einem Ledigenheim mit 112 möblierten Einzelzimmern. Das Ledigenheim war als Übergangsdomizil auf in die Stadt ziehende oder durchreisende Arbeiter ausgerichtet. Diesen wollte man durch eine entsprechende Gebäudegestaltung und umfangreiche Angebote eine familienähnliche Struktur und Eingliederungshilfe in der neuen Umgebung bieten. Der Bauverein orientierte sich bei der Planung an der Idee der Ledigenheime, die schon früh im 19. Jahrhundert aufkam, wobei sie anfänglich meist nur als Wohnheim für bestimmte Berufs- oder Konfessionsgruppen umgesetzt wurde.

Das erste »offene Ledigenheim« für durchreisende und alleinstehende Menschen in Deutschland wurde erst 1908 in Berlin Charlottenburg eröffnet. Man konnte hierdurch und durch andere derartige Projekte bei der Konzeption des Hamburger Ledigenheimes im Jahre 1912 auf eine Reihe von praktischen Erfahrungen zurückgreifen. So wurde in Hamburg beispielsweise auf Doppel- und Dreibettzimmer bewusst verzichtet, »weil in den übrigen in Deutschland gebauten Ledigenheimen mit mehrbettigen Zimmern keine günstigen Erfahrungen gemacht« (Bauverein Geschäftsbericht, 1913) worden waren.
Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße war »das erste im strengen Sinne offene Ledigenheim« (Clemens Wischermann, »Wohnen in Hamburg vor dem ersten Weltkrieg«, Band 2) in Hamburg. Es bot den Arbeitern neben einer ganzen Reihe von Seemannsheimen und anderen Domizilen in der Nähe des Hafens eine angemessene Form der Wohnung und Unterbringung, zeichnete sich jedoch insbesondere durch seine liberale Vermietungspolitik aus. So stand das Haus allen Nationalitäten, Berufsgruppen und Konfessionen zur Verfügung. Für die Offenheit des Konzeptes war ebenfalls entscheidend, dass die Zimmer, obwohl als temporäre Bleibe ausgerichtet, dennoch dauerhaft angemietet werden konnten. So kam es dazu, dass in der Rehhoffstraße ein Heim für ledige Männer geschaffen wurde, und zwar durch Offenheit und soziale Angebote und mit einem für die Verhältnisse zu Anfang des 20. Jahrhunderts recht hohen Standard.
Das Leben im Ledigenheim spielte sich zum Großteil in den Gemeinschaftsräumen ab. Hier traf man sich nach getaner Arbeit und tauschte sich mit den anderen Bewohnern, Bekannten oder mit Nachbarn aus. Hierzu hatten die Bewohner »für ihre freie Zeit ansprechend freundlich ausgestattete Räume – sowohl Speise- wie Lesezimmer - zur Verfügung« (dieses und alle folgenden Zitate aus: Rolf Spörhase, »Bauverein zu Hamburg AG«, 1940). Im Erdgeschoss gab es neben der Gaststätte mit Küche eine »Wohnung für den Pächter, ferner eine Wohnung für den Hausinspektor und ein Wächterzimmer.« Im Tante-Emma-Laden an der Ecke konnten die täglichen Besorgungen erledigt werden. Die gesamte Erdgeschossfläche der Anlage diente der Gemeinschaft.
Durch dieses Konzept der gemeinschaftlich genutzten Räume »sind die Einzelzimmer in erster Linie als Schlafräume ausgestattet.« Die 8 m2 großen, privaten Zimmer dienten als Ruhe- und Rückzugsräume, in denen man aber auch seine persönlichen Habseligkeiten sicher unterbringen konnte, auch in Zeiten längerer Abwesenheit. Die Zimmer waren einfach, aber geschmackvoll gestaltet. Sie enthielten »Metallbettstelle und Metallschrank, Tisch, Stuhl und
bequemen Armsessel, ferner Waschgelegenheit mit Zu- und Abfluß, Warmwasserheizung und elektrisches Licht.« Zur weiteren sanitären und hygienischen Ausstattung befanden sich auf jeder Etage Toiletten, sowie »zwei Putzräume, wo die Bewohner ihre Sachen reinigen« konnten. Komplettiert wurde dies durch ein angrenzendes Badehaus, bestehend aus einzelnen Kabinen, jeweils mit Badewanne und Warmwasseranschluss.

Ein Pförtner betreute das Haus und übernahm hausmeisterliche Tätigkeiten. Dazu kam eine regelmäßige Zimmerreinigung und die Bereitstellung frischer Bettwäsche und Handtücher. Diese Dienste waren für das Funktionieren des täglichen Ablaufs entscheidend, dienten aber auch der sozialen Kontrolle im Haus und waren in gewisser Weise auch ein Schutz vor der Verwahrlosung, sowohl der Zimmer, als auch der Bewohner. Der Bauverein musste das Haus, durch die Auflagen seiner Gemeinnützigkeit und der Sanierungskommission der Stadt, sozial führen. Mietpreiserhöhungen waren über Jahrzehnte untersagt und durften nur in Absprache mit der Stadt vorgenommen werden. Ein Weiterverkauf war nur unter Auflage hoher Strafzahlungen möglich. So blieb die Miete entsprechend niedrig und »betrug je nach Geschoß, einschließlich Reinigung und Wäsche, 13,- bis 17,- Mark im Monat.« (Rolf Spörhase, »Bauverein zu Hamburg AG«, 1940)

Das Ledigenheim zur Zeit seiner Erbauung

Grundriss des Komplexes Herrengraben/Pasmannstraße/ Rehhoffstraße mit dem Ledigenheim

Flur des Ledigenheimes Rehhoffstraße um 1914

Zimmer mit ursprünglicher Einrichtung und Blick in ein Bad des ehemaligen Badehauses

Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss des Ledigenheimes